Der Stern in der Krise: Oder wozu sind die Zeitungen und Zeitschriften da?
Es ist Sommerpause. Das politische Weltgeschehen läuft in beängstigender Geschwindigkeit weiter, während Deutschland eigentlich Urlaub machen will. Gewöhnlich ist da ein Sommerloch, weil viele Redakteure aber auch viele Leserinnen und Leser im Urlaub sind. Es werden weniger Nachrichten gebraucht.
Nun noch immer Ukraine, Israel, Spionageaffäre: Das Sommerloch betrifft in diesem Jahr nur einige Bereiche – wie den Kulturteil beispielsweise. Thies Thiessen beschreibt an einigen Beispielen aus dem „Stern“, wie Filmbesprechungen derzeit zu kürzesten Kritiken werden. Thiessen sagt, der Stern begegne offenbar den Umsatzeinbußen dadurch, die Kritiken immer „twittriger“ zu machen, also äußert knappe Sätze zu formulieren, in denen wenige Schlüsselwörter aneinandergehängt werden. Grammatik und Stil stehen hinten an.
Dass der „Stern“ derzeit Probleme hat, ist, wie bei vielen Zeitungen und Zeitschriften, längst kein Geheimnis mehr. Im Gegenteil, es wird ständig diskutiert, wie dem „Zeitungssterben“ zu begegnen sei. Die Anzeigenumsätze haben sich auf das Onlinegeschäft verlagert und die Abonnenten bleiben weg. Diese Krise ist nicht neu. Doch sind die Gründe für die Krise der Presse eigentlich bekannt?
Auf schiebener wird auf eine neue Studie des Kommunikationswissenschaftlers Andreas Vogel hingewiesen, der aufzeigt, dass die „Talfahrt der Tagespresse“ lange begonnen habe, bevor die Online-Medien eine Konkurrenz zu den Printmedien wurden. Hier geht es nun nicht um Zeitschriften oder Wochenzeitungen, sondern um die lokale Tagespresse, doch der Befund ist überraschend: Es ist kein Kampf Print gegen Online, sondern die Frage rückt in den Vordergrund, wie die lokale Presse wieder so über das lokale Geschehen schreiben könne, dass überhaupt ein Anreiz entsteht, die Zeitungen zu kaufen.
Die kürzeren Nachrichten, die Thiessen beobachtet, wären eine – fragwürdige – Möglichkeit, wieder mehr Leserinnen und Leser zu gewinnen. Genau das Gegenteil beobachtet Wolfgang Michal. Er sieht den Trend zur langen vertiefenden Reportage für das Wochenende. „Der Spiegel“, so wurde angekündigt, solle ab 2015 jeweils samstags statt montags erscheinen. Ein deutlicher Hinweis: Nicht die Tagespolitik steht mehr im Vordergrund. Michal verbindet das zudem mit einem „Wohlfühljournalismus“, der sich breit mache. Im „Stern“ wird beispielhaft ein Ressort „Inspiration“ eingeführt.
Die immer längeren Reportagen zum Wochenende, die Michal zum Beispiel auch in der SZ findet, könnten langfristig dazu führen, dass die Demokratie einschlafe. Denn das politische Geschehen und die Lektüre in den führenden Blättern laufen zeitlich immer weniger parallel. Eine Debatte über das Wochenende hinüberzuretten sei eben deutlich schwieriger, als ein Thema am Montag gleich zu besetzen und so die Diskussion zu prägen.
Allerdings: In Sachen Geschwindigkeit ist gegen die Online-Medien sowieso nicht anzukommen. Kai Thrun, der sich über die Menge der täglichen „News“ Gedanken macht, schreibt über das permanente Informiertsein. Er selbst lese täglich 500 Überschriften am Tag allein von verschiedenen Newsseiten und Blogs, die er abonniert habe. Er ordnet also selbst, was einmal Redakteure und Journalisten geordnet haben.
Der Journalismus und auch das Verhalten der Leserinnen und Leser verändern sich gerade rasant. Und angesichts der aktuellen politischen Krisenherde ist den meisten klar: Der Journalismus wird noch gebraucht.